Alfred Hackensberger 14.01.2009
Hamas verbindet mit Hisbollah und Iran nur der Kampf gegen Israel
Die israelische Armee hat den Angriff auf Gaza weiter verstärkt, der nach 18 Tagen über 900 Palästinensern, 40 Prozent davon Frauen und Kinder, das Leben kostete. In Israel ist man zufrieden. Laut Premierminister Ehud Olmert sind die Kriegsziele fast erreicht. Letztendlich geht es in Gaza jedoch nicht um Hamas, sondern um den Iran.
Am Montag dieser Woche besuchte der israelische Präsident Shimon Peres die Militärbasis Tzeelim in der Nähe der Stadt Beersheva, begleitet von einem Heer von Kamerateams aus aller Welt. Im Namen der Nation bedankte er sich bei den 600 Fallschirmjägern, die an der Bodenoffensive in Gaza teilnehmen, und wünschte ihnen viel Erfolg im Kampf. „Was die IDF (Israeli Defence Forces) in 16 Tagen geleistet haben, schafften andere Länder nicht in 16 Jahren.“
Nach seiner Ansprache stellte er sich den Fragen der Reservisten, die ihre Familien und ihre Arbeit verließen, um in den Krieg zuziehen. Sie wollten wissen, ob ihr Einsatz denn auch Sinn mache. „Ist es denn sicher, dass die Hamas nach dem Krieg nicht mehr operationsfähig ist?“, fragte ein Soldat seinen Präsidenten. „Oder wird es so sein wie mit Hisbollah, die trotz des Kriegs 2006 heute noch weiter existiert und eine Bedrohung Israels ist?“ Shimon Peres antwortete ausweichend: „Hier geht es nicht um Hamas oder Hisbollah. Hier geht es um den Iran.“ Das hatte der israelische Präsident zuletzt auch seinem Amtskollegen aus Paris, Nicolas Sarkozy, bei dessen Besuch vor einer Woche in Jerusalem versichert. „Hamas sind direkte Abgesandte des Irans“, sagte er, man müsse den iranischen Zugang zum Gaza-Streifen über Grenzübergänge oder auch durch Tunnels verhindern.
Mit dieser Meinung ist Shimon Peres gewiss nicht der Einzige in der israelischen Regierung, die den Iran schon längst bombardiert hätte. Aber US-Präsident Bush hatte seine Zustimmung verweigert. Das Weiße Haus wollte keine zweite Front zum Irak-Krieg und lehnte den israelischen Wunsch nach „Bunker Bustern“, Bomben, die die Untergrundatomanlagen im Iran zerstören können, sowie die Genehmigung zur Nutzung irakischen Luftraums ab.
Für Israel „ist die gegenwärtige Operation gegen Hamas eine einmalige Chance dem iranischen Expansionismus einen strategischen Schlag zu versetzen“, schrieben zwei Professoren des Shalem Zentrums für strategische Studien aus Jerusalem in der Los Angeles Times. „Der Iran hat Hamas, eine sunnitische Organisation, die der ägyptischen Muslimbruderschaft nahe steht, auserwählt, um den israelisch-palästinensischen Konflikt in einen Dschihad gegen den jüdischen Staat zu verwandeln.“ Das sei ganz ähnlich wie bei der Hisbollah, dem zweiten iranischen Stellvertreter in der Region, auf der anderen Seite der Grenze im Libanon. Es ist eine Analyse durch die Brille israelischer Staatsräson, sehr vereinfachend und wesentliche Faktoren vernachlässigend.
Die sunnitische Hamas ist für den schiitischen Iran ein nützliches Werkzeug
Der israelisch-palästinensische Konflikt besteht bereits seit der Gründung des Staates Israels 1948, die mit einer systematischen und gewaltsamen Vertreibung von Palästinensern sowie der Konfiszierung ihrer Häuser und ihres Grundbesitzes verbunden war. Palästinenser haben seitdem für einen eigenen, unabhängigen Staat gekämpft, oft nicht minder gewalttätig und brutal, als es Hamas heute tut. Federführend dabei die PLO, die in den 70er Jahren durch Flugzeugentführungen, Bombenattentaten und Kidnappings den „Befreiungskampf des palästinensischen Volkes“ in die Weltöffentlichkeit brachte und bis vor wenigen Jahren noch Selbstmordattentate in Israel ausführte. Heute, mit Präsident Mahmoud Abbas an der Spitze, gilt sie jedoch als gemäßigte Fraktion und wird vom Westen gebauchpinselt.
Hamas und Hisbollah wurden erst in den 80er Jahren gegründet, als Reaktion auf die Brutalitäten, die israelisches Militär im besetzten Palästina und während der Invasion im Libanon beging. Statt einer sozialistischen Ideologie sollte nun die Religion, der Islam, die Probleme von Unterdrückung und Ungerechtigkeiten dieser Welt richten.
Hamas wie Hisbollah sind heute nationale islamistische und soziale Bewegungen, die man nicht durch Bombardierung auslöschen kann. Sie von Außen zu instrumentalisieren, ist nur beschränkt möglich, da sie vom jeweiligen nationalen Kontext abhängen, in dem sie eingebettet sind.
Natürlich wird Hamas vom Iran unterstützt, der Waffen liefert, Kämpfer ausbildet und auch finanziell unter die Arme greifen mag. Nur die Unterstützung Irans beschränkt sich nicht exklusiv auf Hamas, sondern gilt der palästinensischen Sache generell, wie Muhammad Mir Ali Mohammadi, Sprecher des iranischen Konsulats bei den Vereinten Nationen, betonte: „Wenn sich der Angriff Israels gegen das Westjordanland richtete, wären wir ebenso dagegen.“ Tatsächlich erreichen iranische Hilfsgüter selbst die Palästinenser in den Flüchtlingslagern im Libanon. Ob Wassertanks oder Generatoren – ohne den Iran wäre die Lebenssituation der Bevölkerung dort in den Camps noch schlechter.
„Hamas ist ein sehr praktisches und brauchbares Werkzeug für den Iran, aber unter keinen Umständen ein ideologisches“, sagte Saeed Leylaz, Ökonom und politischer Kommentator in Teheran. Was im Gaza gerade passiere, mache es dem Iran leichter, die anti-US-amerikanischen Gefühle unter Muslimen zu schüren.
Hamas, als sunnitisch Gruppe, mit einer radikal konservativen Auffassung des Islam, wäre für den Iran normalerweise nie und nimmer ein Partner. Hamas ist jedoch eine palästinensische Organisation, die Widerstand gegen die Okkupationsmacht Israel leistet. Das passt genau in die von Ayatollah Khomeini geprägte Revolutionsphilosophie des Irans: Es ist die Pflicht eines anständigen Muslims gegen jede Form von Unterdrückung zu kämpfen, was jedes Jahr bei den Ashoura-Prozessionen anschaulich demonstriert wird (Blutiges Spektakel in Erinnerung an den vorbildlichen Opfertod). Die schlimmste Form der Unterdrückung ist danach allerdings eine Okkupation, die die gesamten Rechte eines Volkes raubt und sie zu Menschen zweiter Klasse degradiert. Musterbeispiel für diese Form der Grausamkeit sei die israelische Besetzung Palästinas, was die Palästinenser zu einem der leidgeprüftesten Völker dieser Erde macht. Ihren Widerstand gegen die Unterdrücker zu unterstützen, ist religiöse Pflicht. Wenn dabei noch ein strategischer Vorteil im internationalen Politikränkespiel herausspringt, umso besser.
Für die Hamas ist der Iran ebenso wenig ein ideologischer Partner. Würde es die Organisation buchstabengetreu halten, müsste sie den schiitischen Iran als Staat der Ungläubigen betrachten. Im Irak bekämpfen sich Sunniten und Schiiten, seit es mit der Diktatur Saddam Husseins zu Ende ging. Die Viertel in Bagdad und in anderen irakischen Städten, in denen Schiiten und Sunniten Seite an Seite wohnten, existieren heute nicht mehr. Die jeweils dominierende Religionsgemeinschaft säuberte ihren Stadtteil, ermordete oder vertrieb die jeweilige Minorität.
Das Verhältnis Hisbollah und Hamas ist ebenfalls von pragmatischer Natur. Hisbollah erfüllt ihre religiöse Pflicht, indem sie ihre unterdrückten Brüder militärisch ausbildet, was gleichzeitig militärstrategisch die Stärkung einer zweiten Front gegen den Feind Israel bedeutet. Obendrein schafft sie sich ein positives, moralisches Image bei den rund 400.000 palästinensischen Flüchtlingen im Libanon und bei Sunniten im Ausland, die vergebens auf mehr Einsatz ihrer eigenen Staaten in Palästina warten.
Wie schon beim Iran, sieht die Hamas auch bei Hisbollah über religiöse Differenzen hinweg. Es zählt der kleinste gemeinsame Nenner: Kampf gegen Israel.
Hamas verbindet mit Hisbollah und Iran nur der Kampf gegen Israel
Die israelische Armee hat den Angriff auf Gaza weiter verstärkt, der nach 18 Tagen über 900 Palästinensern, 40 Prozent davon Frauen und Kinder, das Leben kostete. In Israel ist man zufrieden. Laut Premierminister Ehud Olmert sind die Kriegsziele fast erreicht. Letztendlich geht es in Gaza jedoch nicht um Hamas, sondern um den Iran.
Am Montag dieser Woche besuchte der israelische Präsident Shimon Peres die Militärbasis Tzeelim in der Nähe der Stadt Beersheva, begleitet von einem Heer von Kamerateams aus aller Welt. Im Namen der Nation bedankte er sich bei den 600 Fallschirmjägern, die an der Bodenoffensive in Gaza teilnehmen, und wünschte ihnen viel Erfolg im Kampf. „Was die IDF (Israeli Defence Forces) in 16 Tagen geleistet haben, schafften andere Länder nicht in 16 Jahren.“
Nach seiner Ansprache stellte er sich den Fragen der Reservisten, die ihre Familien und ihre Arbeit verließen, um in den Krieg zuziehen. Sie wollten wissen, ob ihr Einsatz denn auch Sinn mache. „Ist es denn sicher, dass die Hamas nach dem Krieg nicht mehr operationsfähig ist?“, fragte ein Soldat seinen Präsidenten. „Oder wird es so sein wie mit Hisbollah, die trotz des Kriegs 2006 heute noch weiter existiert und eine Bedrohung Israels ist?“ Shimon Peres antwortete ausweichend: „Hier geht es nicht um Hamas oder Hisbollah. Hier geht es um den Iran.“ Das hatte der israelische Präsident zuletzt auch seinem Amtskollegen aus Paris, Nicolas Sarkozy, bei dessen Besuch vor einer Woche in Jerusalem versichert. „Hamas sind direkte Abgesandte des Irans“, sagte er, man müsse den iranischen Zugang zum Gaza-Streifen über Grenzübergänge oder auch durch Tunnels verhindern.
Mit dieser Meinung ist Shimon Peres gewiss nicht der Einzige in der israelischen Regierung, die den Iran schon längst bombardiert hätte. Aber US-Präsident Bush hatte seine Zustimmung verweigert. Das Weiße Haus wollte keine zweite Front zum Irak-Krieg und lehnte den israelischen Wunsch nach „Bunker Bustern“, Bomben, die die Untergrundatomanlagen im Iran zerstören können, sowie die Genehmigung zur Nutzung irakischen Luftraums ab.
Für Israel „ist die gegenwärtige Operation gegen Hamas eine einmalige Chance dem iranischen Expansionismus einen strategischen Schlag zu versetzen“, schrieben zwei Professoren des Shalem Zentrums für strategische Studien aus Jerusalem in der Los Angeles Times. „Der Iran hat Hamas, eine sunnitische Organisation, die der ägyptischen Muslimbruderschaft nahe steht, auserwählt, um den israelisch-palästinensischen Konflikt in einen Dschihad gegen den jüdischen Staat zu verwandeln.“ Das sei ganz ähnlich wie bei der Hisbollah, dem zweiten iranischen Stellvertreter in der Region, auf der anderen Seite der Grenze im Libanon. Es ist eine Analyse durch die Brille israelischer Staatsräson, sehr vereinfachend und wesentliche Faktoren vernachlässigend.
Die sunnitische Hamas ist für den schiitischen Iran ein nützliches Werkzeug
Der israelisch-palästinensische Konflikt besteht bereits seit der Gründung des Staates Israels 1948, die mit einer systematischen und gewaltsamen Vertreibung von Palästinensern sowie der Konfiszierung ihrer Häuser und ihres Grundbesitzes verbunden war. Palästinenser haben seitdem für einen eigenen, unabhängigen Staat gekämpft, oft nicht minder gewalttätig und brutal, als es Hamas heute tut. Federführend dabei die PLO, die in den 70er Jahren durch Flugzeugentführungen, Bombenattentaten und Kidnappings den „Befreiungskampf des palästinensischen Volkes“ in die Weltöffentlichkeit brachte und bis vor wenigen Jahren noch Selbstmordattentate in Israel ausführte. Heute, mit Präsident Mahmoud Abbas an der Spitze, gilt sie jedoch als gemäßigte Fraktion und wird vom Westen gebauchpinselt.
Hamas und Hisbollah wurden erst in den 80er Jahren gegründet, als Reaktion auf die Brutalitäten, die israelisches Militär im besetzten Palästina und während der Invasion im Libanon beging. Statt einer sozialistischen Ideologie sollte nun die Religion, der Islam, die Probleme von Unterdrückung und Ungerechtigkeiten dieser Welt richten.
Hamas wie Hisbollah sind heute nationale islamistische und soziale Bewegungen, die man nicht durch Bombardierung auslöschen kann. Sie von Außen zu instrumentalisieren, ist nur beschränkt möglich, da sie vom jeweiligen nationalen Kontext abhängen, in dem sie eingebettet sind.
Natürlich wird Hamas vom Iran unterstützt, der Waffen liefert, Kämpfer ausbildet und auch finanziell unter die Arme greifen mag. Nur die Unterstützung Irans beschränkt sich nicht exklusiv auf Hamas, sondern gilt der palästinensischen Sache generell, wie Muhammad Mir Ali Mohammadi, Sprecher des iranischen Konsulats bei den Vereinten Nationen, betonte: „Wenn sich der Angriff Israels gegen das Westjordanland richtete, wären wir ebenso dagegen.“ Tatsächlich erreichen iranische Hilfsgüter selbst die Palästinenser in den Flüchtlingslagern im Libanon. Ob Wassertanks oder Generatoren – ohne den Iran wäre die Lebenssituation der Bevölkerung dort in den Camps noch schlechter.
„Hamas ist ein sehr praktisches und brauchbares Werkzeug für den Iran, aber unter keinen Umständen ein ideologisches“, sagte Saeed Leylaz, Ökonom und politischer Kommentator in Teheran. Was im Gaza gerade passiere, mache es dem Iran leichter, die anti-US-amerikanischen Gefühle unter Muslimen zu schüren.
Hamas, als sunnitisch Gruppe, mit einer radikal konservativen Auffassung des Islam, wäre für den Iran normalerweise nie und nimmer ein Partner. Hamas ist jedoch eine palästinensische Organisation, die Widerstand gegen die Okkupationsmacht Israel leistet. Das passt genau in die von Ayatollah Khomeini geprägte Revolutionsphilosophie des Irans: Es ist die Pflicht eines anständigen Muslims gegen jede Form von Unterdrückung zu kämpfen, was jedes Jahr bei den Ashoura-Prozessionen anschaulich demonstriert wird (Blutiges Spektakel in Erinnerung an den vorbildlichen Opfertod). Die schlimmste Form der Unterdrückung ist danach allerdings eine Okkupation, die die gesamten Rechte eines Volkes raubt und sie zu Menschen zweiter Klasse degradiert. Musterbeispiel für diese Form der Grausamkeit sei die israelische Besetzung Palästinas, was die Palästinenser zu einem der leidgeprüftesten Völker dieser Erde macht. Ihren Widerstand gegen die Unterdrücker zu unterstützen, ist religiöse Pflicht. Wenn dabei noch ein strategischer Vorteil im internationalen Politikränkespiel herausspringt, umso besser.
Für die Hamas ist der Iran ebenso wenig ein ideologischer Partner. Würde es die Organisation buchstabengetreu halten, müsste sie den schiitischen Iran als Staat der Ungläubigen betrachten. Im Irak bekämpfen sich Sunniten und Schiiten, seit es mit der Diktatur Saddam Husseins zu Ende ging. Die Viertel in Bagdad und in anderen irakischen Städten, in denen Schiiten und Sunniten Seite an Seite wohnten, existieren heute nicht mehr. Die jeweils dominierende Religionsgemeinschaft säuberte ihren Stadtteil, ermordete oder vertrieb die jeweilige Minorität.
Das Verhältnis Hisbollah und Hamas ist ebenfalls von pragmatischer Natur. Hisbollah erfüllt ihre religiöse Pflicht, indem sie ihre unterdrückten Brüder militärisch ausbildet, was gleichzeitig militärstrategisch die Stärkung einer zweiten Front gegen den Feind Israel bedeutet. Obendrein schafft sie sich ein positives, moralisches Image bei den rund 400.000 palästinensischen Flüchtlingen im Libanon und bei Sunniten im Ausland, die vergebens auf mehr Einsatz ihrer eigenen Staaten in Palästina warten.
Wie schon beim Iran, sieht die Hamas auch bei Hisbollah über religiöse Differenzen hinweg. Es zählt der kleinste gemeinsame Nenner: Kampf gegen Israel.