Teherans Parlament will die Abkehr vom Islam bestrafen
Tod den Verrätern*
VON CHRISTIANE HOFFMANN
Mittwoch 1. Oktober 2008
Tod den Verrätern*
VON CHRISTIANE HOFFMANN
Mittwoch 1. Oktober 2008
FAZ: "Und wenn sie sich abwenden, dann ergreift sie und tötet sie" - so soll der Prophet Mohammed der Überlieferung nach gesagt haben. Mit diesem Ausspruch wird im traditionellen Recht der Scharia das Todesurteil für Muslime begründet, die sich vom islamischen Glauben abwenden. Gefährlich, möglicherweise sogar tödlich ist die Apostasie daher in einigen muslimischen Ländern. In Iran ist nun in erster Lesung im Rahmen einer Novelle des gesamten Strafrechts die Todesstrafe für den Abfall vom Islam erstmals rechtlich festgeschrieben worden. Das iranische Parlament stimmte der Strafrechtsnovelle mit einer Mehrheit von 196 gegen sieben Stimmen zu. Zum Gesetz wird die Verschärfung erst, wenn der religiöse Wächterrat und das Parlament in zweiter Lesung zustimmen.
Todesurteile wegen Apostasie sind in der Islamischen Republik nicht neu: Bisher wurden diese Urteile aber in einer rechtlichen Grauzone gefällt. Mit der Novelle ist das nun anders, wird die Abkehr vom Islam strafrechtlich kodifiziert. Neben Apostasie werden danach auch Ketzerei und Hexerei mit dem Tode bestraft.
Das Gesetz kommt im Klima einer verschärften Verfolgung religiöser Minderheiten in Iran unter der Präsidentschaft von Mahmud Ahmadineschad. Opfer der Festungsmentalität, die Andersdenkende als feindlich betrachtet, sind vor allem die Bahai.
Schiitische Geistliche zeigten sich schon seit einiger Zeit beunruhigt, dass sich immer mehr vor allem junge Iraner dem schiitischen Islam entfremden. Besonders der Zoroastrismus, die vorislamische Religion, gewinnt an Popularität. Aber auch von der christlichen Missionierung, besonders durch evangelikale Kirchen, sehen sich die iranischen Geistlichen bedroht.
Im Juni hatte die Agentur Farsnews in einer mehrteiligen Serie über die wachsende Zahl der Christen in Iran berichtet. Westliche Satellitensender, die in persischer Sprache zum Übertritt zum Christentum auffordern, sind auch in Iran zu empfangen. Zudem gibt es zahlreiche persische Websites dieses Inhalts, die mit dem neuen Gesetz ebenfalls unter Strafe gestellt werden.
Apostasie ist ein weitgefasster Begriff und meint etwa auch die Beleidigung des Propheten, die Verunglimpfung des Islams oder "Krieg gegen Gott". Bei entsprechender Auslegung kann unter einer religiösen Herrschaft jegliche Regimekritik als Apostasie angesehen werden.
Einige Geistliche gingen in letzter Zeit so weit, das nachlässige Beachten der islamischen Kleiderordnung bei Frauen als Zeichen eines Abfalls vom Glauben auszulegen. Im Falle der Apostasie wirkt sich die rechtliche Ungleichbehandlung von Frauen einmal zu deren Gunsten aus: Fällt eine Muslima vom Glauben ab, so droht ihr nicht die Todesstrafe, sondern "nur" lebenslange Haft und Umerziehung.